Gemeinsam mit zwei Partnern hat der heimische Energieversorger vor knapp vier Jahren einen Tochterbetrieb für die Netzverwaltung gegründet. Und der bekommt jetzt ein neues Firmengebäude. Es ist ein wichtiges Zusatzgeschäft in schweren Zeiten am Markt.
Versmold. Stadtwerke-Geschäftsführer Jörg Kogelheide erläutert dem Haller Kreisblatt auf Anfrage die Hintergründe des Millionenprojektes. „Unser Geschäft beruht auf zwei Säulen: dem Energievertrieb und dem Netzbetrieb und in letzterem Bereich haben wir zahlreiche administrative Aufgaben.“ Als einzelner Versorger sei man damit mehr als ausgelastet. Also haben die Versmolder mit zwei anderen Stadtwerken Mitte 2018 ein Tochterunternehmen gegründet, das genau diese Dienstleistungen erbringt: die ,,edikoo“.
Zahlengeschäft gebündelt
Der Kunstbegriff steht für ,,Energiedienstleistungen in Kooperation“, hier bündeln die Stadtwerke Versmold, die Stadtwerke Georgsmarienhütte und die Teutoburger Energienetzwerk eG (TEN) aus Hagen am Teutoburger Wald alles rund um den Netzbetrieb, was mit Zahlen zu tun hat. „Da geht es um Abrechnungen der Netzdienstleistungen, die wir erbringen, um die Bilanzierung der Energieströme, die verschiedenen Versorgern in unseren Netzen zugerechnet werden – aber auch um Marktkommunikation, also die Erfassung und Übermittlung von Zählerständen und den Messstellenbetrieb“, erklärt Kogelheide. Das diffizile Zahlengeschäft ist im regulierten Netzbereich vorgeschrieben – und auch nötig, um am Ende angemessene Netzentgelte zu erhaben und auch genehmigt zu bekommen.
Potenzial für mehr
,,Indem wir diese Aufgaben in einem Unternehmen bündeln, können wir effizienter werden und Synergien heben“ erklärt Kogelheide. Das Geschäftsmodell lasse sich sicher um weitere Dienstleistungen wie IT oder den Service bei Lieferrahmenverträgen ausbauen und auch um weitere Partner. „Es ist denkbar, dass sich weitere Versorger an dem Unternehmen beteiligen“ so Kogelheide. Und der Stadtwerke-Chef bestätigt, dass die edikoo eine weitere Möglichkeit bietet, neue Geschäftsfelder zu erschließen: „Wir haben in den Stadtwerken Huntetal schon einen Kunden gewonnen, der unsere Dienstleistungen nutzt.“
Auf drei Etagen
Bisher arbeitete das junge Unternehmen in zwei angemieteten Immobilien in Georgsmarienhütte und Bad Iburg – auf Dauer kein Zustand. „Da wir kein geeignetes zusammenhängendes Mietobjekt gefunden haben, ist die Entscheidung gefallen, neu zu bauen“ so Jörg Kogelheide. Das Unternehmen Gründker wird die Immobilie auf einem 2.300 Quadratmeter großen Grundstück in Nähe des Bahnhofs in Bad Iburg errichten, geplant sind drei Etagen mit insgesamt 750 Quadratmeter Bürofläche. „Wir werden einen deutlich siebenstelligen Betrag investieren“, kündigt Versmolds Stadtwerke-Chef an – und dabei soll der KfW-40-Standard erreicht werden. „Die Bundesmittel haben wir zum Glück noch bekommen“, sagt Kogelheide mit Blick auf die ausgelaufene Förderung. Der Strom wird teilweise über eine PV-Anlage auf dem Dach selbst vor Ort erzeugt. Beheizt wird das Gebäude künftig mit einer Wärmepumpe und wird außerdem voll klimatisiert sein. Der Spatenstich ist bereits erfolgt. Läuft alles ideal, könnte der Neubau im Februar 2023 bezugsfertig sein.
Betriebsrat beteiligt
60 Mitarbeitende werden für die edikoo in Bad Iburg tätig sein, acht von ihnen sind von den Stadtwerken Versmold zur Tochter gewechselt. Dieser Prozess habe natürlich Gespräche und Vorbereitung erfordert, bestätigt Jörg Kogelheide. „Wir haben den Betriebsrat beteiligt, einen Moderator hinzugezogen, die Mitarbeitenden erhalten im neuen Unternehmen die gleiche Vergütung und sind wie zuvor auch abgesichert.“ Letztlich sei die Umstrukturierung ,,konstruktiv“ verlaufen, helfe sie doch auch, die Zukunftsperspektiven der Stadtwerke Versmold zu sichern.
Krieg zementiert Lage
Denn klar ist auch, dass sich der heimische Energieversorger auf einem aktuell chaotischen Markt behaupten muss. Spätestens der offene Ausbruch des Ukraine-Krieges dürfte zementiert haben, dass sich die Preise vorerst weiter nur nach oben bewegen. „Diese Lage bereitet uns weiter Kopfzerbrechen - zumal Deutschland bis zu 60 Prozent seines Erdgasbedarfs aus Russland deckt“, betont Kogelheide. Zusammen mit dem Atomausstieg und steigenden Strompreisen beste nun gleich an mehreren Stellen große Unsicherheit. „So eine Situation hat es auf dem Markt bislang noch nicht gegeben“ sagt der Energiemanager. „Ich hoffe auf die Diplomatie.“
Konzept nötig
Grundsätzlich können die Menschen auch in der Region froh sein, ,,dass der Winter fast vorbei ist“, so Kogelheide. Dennoch brauche es jetzt ein grundlegendes Konzept für die deutsche Energieversorgung. „Kurzfristig können wir vielleicht Gas aus Holland und Norwegen beziehen der Aufbau von Terminals für Flüssiggas dauert aber schon länger – wir haben mittelfristig eine Versorgungslücke, über die wir uns intensiv Gedanken machen müssen.“
Freiheit durch Invest
Für die großen Entscheidungen sind die kleinen Stadtwerke Versmold (60 Mitarbeitende) da sicher nicht zuständig. Aber sie tun ihr Möglichstes, um sich unabhängig aufzustellen. Die edikoo ist ein Baustein, aber in größerem Umfang auch die Beteiligung an der Trianel Erneuerbare Energien GmbH (TEE). Für rund vier Millionen Euro haben die Stadtwerke Versmold 2,9 Prozent am Unternehmen erworben. Zahlreiche kommunale Gesellschafter investieren in ertragreiche Windparks und Photovoltaik-Anlagen in ganz Deutschland. „Mit diesem Investment verdienen wir jetzt Geld“, betont Kogelheide. Und ein wenig versetzen die Erträge die Stadtwerke Versmold auch in die Lage, nicht jeden irrwitzigen Preissprung an der Börse voll auf ihre Kunden abzuwälzen. Ein wichtiges Faustpfand in den aktuell schwierigen Zeiten.
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